„Ach ja, die Oma, die hat mir manchmal ein Kreuzerl auf die Stirne gemacht!“ - „Und die Tante, sie hat das Brot gesegnet, bevor sie es angeschnitten hat!“ Das sind die Erinnerungen, die meistens auftauchen, wenn ich jemand von meinen Erfahrungen mit dem Segnen erzähle. Praktiziert wird das eher selten. - Es gibt aber eine Neuentdeckung des Segnens und mittlerweile viele interessante Entwicklungen.

Was bedeutet Segnen?

Segen ist das erste, womit Gott Vater den Menschen nach der Erschaffung ausstattet. Er segnet sie (Gen 1, 28). Das hebräische Wort baruch bedeutet, jemand mit Heil schaffender, wohltuender Kraft begaben.

Segen bedeutet daher: Ich empfange, was ich nicht erarbeitet habe. Ich muss mich nicht mit mir und meinen Möglichkeiten begnügen. Ich darf mehr erhoffen. Gott gibt Segen. Das schenkt Gelassenheit. Gesegnet sein heißt, aus der schöpferischen Kraft Gottes leben und diese Kraft wirksam werden und überfließen lassen.

Segnen, lat. benedicere,bedeutet über jemand Gutes (bene) sagen (dicere). Schon die Kraft eines einfachen, guten Wortes ist groß, größer, als wir oft meinen. Wir dürfen Frieden, Kraft und Segen von Gott her ganz konkret zusagen. Seine Liebe ist bedingungslos. In unserer Gesellschaft, in der so viel Negatives herrscht, können wir jeden Ort, den wir betreten, jede Situation, die wir erleben, mit Segen erfüllen. Wir können es neu lernen!

„Segnet, denn ihr seid berufen Segen zu erlangen.“ (1 Petr 3,9). Segnen ist kein frommer Zuckerguss! Es ist Segnen aus der Kraft des Glaubens, dass Gott alles umgreift und trotz des Dunkels siegen wird. Das gibt Raum für Entwicklung. Segen verbindet Generationen und überwindet Grenzen.

Segnen? - Dürfen das nicht nur die Priester?

Die liturgischen Segnungen und Weihen, die Kirchen-, Glocken- und Altarweihen sind Bischöfen, Priestern oder Diakonen vorbehalten. Dankbar dürfen wir den Segen durch sie empfangen. Aber wir dürfen dann auch aktiv weitergeben, was wir erhalten haben.

Im Katechismus steht unter Paragraph KKK 1669: „Segnungen fallen unter die Zuständigkeit des Priestertums aller Getauften.“ Segnen ist eine Grundkompetenz jedes Glaubenden, die in der Taufe und Firmung ihre Wurzel hat. Der Alltag, unser Lebensraum und ganz besonders die uns anvertrauten Menschen fallen in unsere Zuständigkeit - ja, sie sind unser Auftrag.

Wie „geht“ Segnen?

Segnen ist eine aktive persönliche Zuwendung zum anderen in innerer Verbindung mit Jesus Christus. Er segnet durch mich. Segnen ist zunächst ganz einfach im Alltag in Gedanken und in Stille mit den Augen möglich. Ich schaue jemand kurz und freundlich an und denke dabei einen Segen, nüchtern, schlicht und diskret.

Ich kann Segen mit einem guten Wort weitergeben. Das kann religiös oder ein Lob oder eine Freundlichkeit sein, die ich ausspreche.

Ich kann Segen mit einer Berührung verbinden, mit einem Händedruck, einer kurzen Umarmung. Viele Kinder und auch manche Große schätzen es immer noch, wenn sie ein liebevolles Kreuzerl auf die Stirn bekommen. Vor dem Schlafengehen, vor der Schule, vor einer Reise, vor Prüfungen, ... wird die Stärkung gerne angenommen.

Welche Erfahrungen gibt es?

Krankenschwestern segnen in Stille die Menschen, während sie pflegen, Lehrer segnen Schüler, Ärzte ihre Patienten. Sie bemerken gute Auswirkungen. Angehörige berichten, dass demenzkranke Menschen ruhiger werden, wenn sie regelmäßig gesegnet werden.

Kinder schlafen tiefer, wenn sie im Schlaf öfter und für längere Zeit Segen bekommen. Ehepartner erzählen, dass sich die Beziehungen durch stilles Segnen im Lauf der Zeit verbessert haben. Unangenehme Erfahrungen verlieren, wenn man sich gleich danach unter den Segen Gottes stellt, negative Auswirkungen. Segen heilt und entgiftet.

Aktiv segnen anstatt passiv erleiden kann ich viele Situationen im Alltag. In der Früh kann ich Gott bitten: „Segne die, die mir heute begegnen! Sei mit mir!“

Nutzen Sie die Zeit während Sie in der Warteschlange im Supermarkt stehen und segnen Sie in Stille die Kassiererin und die drängelnden Wartenden, ebenso den drängelnden Autofahrer hinter Ihnen oder den grantigen Kollegen. Es wird Ihnen helfen und kann Sie auch selber entspannen. Segnen wirkt als Selbstschutz, Gott steht dann dazwischen. Das hilft mehr als Fluchen.

Oder segnen Sie in Stille die Menschen, die in der U-Bahn sitzen und manchmal zum Gotterbarmen dreinschauen. Wir wissen nicht, was sie gerade durchmachen. Wir verurteilen nicht und versuchen nicht, andere nach unserem Willen zu manipulieren. Wir denken oder sagen den Segen und die unbedingte Güte Gottes zu. Wir tun es nicht aus uns selber, sondern von Ihm her und stellen uns dabei unter Seinen Schutz. Gott wirkt, wie er will!

Wer weiß, wen ich da segne? Kann ich etwas falsch machen, wenn ich segne?

Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes und hat einen guten Kern, den ich immer segnen kann. Und der ist auch in mir. Besonders dann, wenn ich mich gerade nicht leiden kann, brauche ich Segen. Ich darf mich immer neu in die Güte Gottes stellen und mich auch selber segnen oder mutig andere darum bitten! Machen Sie eigene Erfahrungen, entdecken Sie Neues!

Der Segen wirkt auf den Geist, auf die Seele und auf den Körper. Das ist eine der spannendsten Erfahrungen, dass der ganze Körper einbezogen werden kann. Im Körper sind viele Erfahrungen gespeichert. Lebensgeschichten werden durch Segnen leichter aufgearbeitet. Dazu gehört allerdings Begleitung und eine Ausbildung.

Segnen wirkt langsam, aber sicher, ganz in Stille im Alltag oder im bewussten Einsatz in der seelsorglichen Begleitung.  Es wird im Grunde zu einer inneren Haltung, in die wir hineinwachsen. Es wirkt wie der Sauerteig im Gleichnis Jesu, der alles durchdringt (Mt 13, 33 - 35). Wenn es viele tun, wird es die Welt verändern.